Erlebnisbericht vom Wildwasserlehrgang Lienz 2024

Es begann im heillosen Chaos: Irgendwer ist dem falschen Auto nachgefahren und war dann am komplett falschen Einstieg (okay, das war ich), jemand hatte seine Spritzdecke vergessen und so weiter und sofort. Aber so ist es nun einmal, wenn man mit einer großen Gruppe aus allen Ecken Bayerns zum Wildwassertraining des BKV unterwegs ist.

Kopf in der Waschmaschine

Schließlich waren alle 42 TeilnehmerInnen und 11 TrainerInnen am richtigen Einstieg. Unser Team startete an der wunderschönen Drau: Sie lockte mit viel Wasser in einem breiten Flussbett (WW 1-2). Das Blut rauschte mir durch die Adern. „Yeah! Adrenalin! Der Stoff, für den ich hier bin!” Nach der ersten Aufregung waren die Wellen wunderbar und es gab viele schöne Kehrwasser, mit denen man großartig üben konnte. Bei all dem Spielen auf dem Wasser hätten wir fast vergessen, uns am Anblick der unfassbar schönen Lienzer Dolomiten zu erfreuen, die hinter dem zarten Frühlingsgrün der Bäume mit ihren riesigen dunkelgrauen Flanken beeindrucken. Wie für uns zur Freude, waren sie oben mit zartem Schnee bepudert.

  

Am zweiten Tag lernte ich die Steine lieben. Die Strategie vom ersten Tag: „Oh ein Stein, schnell weg“, ging auf der schmalen, verblockten Möll (WW 2) überhaupt nicht. Steine, Steine, überall! Schließlich ging ich dazu über, mir einen Stein auszusuchen und mir zu überlegen, ob ich mich meinem neuen Freund von der einen oder von der anderen Seite in liebevoller Zuneigung nähern möchte. Plötzlich ist alles ganz einfach und ich flutsche munter den Bach hinunter. Sogar bei Steinen klappt das mit der liebevollen Zuneigung. Am meisten Spaß machen die vielen Wellen! Das Wasser spritz hoch bis in mein Gesicht: „Yeah! Das ist es, warum ich hier bin!“ An Tag drei paddelten wir auf dem zauberhaften Fluss Gail, der sein glasklares Wasser durch tiefe, unberührte Schluchten in zahllosen Kurven das Tal hinunterschickt (WW 2-3). Nach starken Regenfällen führte er viel Wasser und nach dem Einsetzen in Birnbaum ging es gleich richtig zur Sache: Wellen, Wellen, Wellen, Wellen. Kein Kehrwasser, Schwall von links, Schwall von rechts. Endlich ein Kehrwasser. Puh.

 

Weiter geht‘s, der Fluss erscheint mir immer schneller, und die Wellen werden immer höher. Plötzlich kommen die Wellen auch noch von rechts und links. Oder ist es ein Schwall? Mit aller Kraft versuche ich durchzukommen und das Boot gerade zu halten, aber ich schaffe es nicht und das Verhängnis nimmt seinen Lauf. Im nächsten Moment hänge ich mit dem Kopf im Wasser unter meinem Boot. Entwürdigend! Für diesen Moment habe ich die Rolle geübt. Aber ob ich das auch im Wildwasser hinbekomme? Kurz komme ich hoch und falle gleich wieder zurück in diese Waschmaschine. Adrenalin versorgt mich mit neuer Energie und ich versuche es nochmal, Scheiße, klappt wieder nicht, der Fluss hat mich fest im Griff. Die Luft wird mir knapp. Plötzlich sehe ich durchs sprudelnde Weiß eine Bootsspitze über mir, schnappe zu und ziehe mich hoch. Luft strömt wieder in meine Lunge, aber ich bin total orientierungslos. Wo bin ich, wo ist die Prallwand von der ich mich fernhalten muss? Wieder rettet mich Tobias: „Rechts, rechts geradeaus, gib Gas!”, brüllt er über das Rauschen des Wassers hinweg und ich folge blind. Endlich wird es ruhiger und auch das Wasser ist aus meinen Augen. Ich kann wieder klarsehen: Eine Kiesbank! Noch nie habe ich mich so über eine Kiesbank gefreut! Kiesbänke sind toll!!!!

 

Vielen anderen erging es ähnlich oder sogar schlimmer. Einige waren über ihrer Leistungsgrenze. Wie war das mit dem Vortrag vom ersten Tag über die Angst und Komfort-, Abenteuer- und Panikzone? Bei mir definitiv Abenteuer, bei anderen eher Panikzone, fürchte ich. An diesem Tag hatten wir die Gelegenheit, das zuvor geübte Retten und Bergen in allen Varianten auszuprobieren: Schwimmer ohne Ende. 

 

Ich könnte euch noch so viel erzählen: Von einer gefundenen Flaschenpost, dem großartigen Grillabend der sich irgendwie von alleine organisierte, von den grandiosen Trainerinnen und Trainern, einem überraschenden Muttertagsgeschenk, einer wundervollen Slalomstrecke, dem leckeren Abendessen im Institut gegen Unterhopfigkeit und noch so viel mehr. Aber ich habe jetzt keine Zeit mehr - ich muss paddeln gehen. 

    

Zum Schluss muss ich euch noch schnell von meinem absoluten Highlight aus diesen vier Tagen erzählen, dem „Rettungsstern“: Fünf Leute oder mehr warfen von beiden Flussseiten fast zeitgleich ihre Wurfsäcke. Die sich aus den Wurfsäcken entfaltenden Seile ergaben einen Stern mit dem Schwimmer im Zentrum. Dieser musste nur noch entscheiden, an welchem er ans sichere Ufer gezogen werden wollte. Ich habe mich schon beim Zusehen geborgen gefühlt. 

Coole Sache, sowas mit Leuten zu machen, auf die man sich verlassen kann, wenn’s hart auf hart kommt. Das ist es, warum ich das mache. Lasst uns das immer wieder machen!

Hella Heise

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